Der lange Weg
oder
Die Reise ins Uns
von Findriel



Das Erste, an das sich Findriel erinnern konnte, war das Gesicht von Großvater. Auch wenn er kein Verwandter war, hatte sich Großvater dem kleinen Findriel angenommen, der eines Tages in seinem Wald in der Nähe des Hains mit seiner Mutter aufgetaucht war. Sie war schwer verletzt gewesen, eine tiefe Wunde klaffte in ihrer Brust und obwohl er alles versucht hatte, war es ihm nicht möglich gewesen, Findriels Mutter zu retten. Sie erlag ihrer Wunde. Und so hatte er sich entschlossen, den kleinen Elfen zusammen mit seinem Zirkel groß zu ziehen.
Schon nach kurzer Zeit zeigte sich, dass er sich damit einen Haufen Arbeit aufgebürdet hatte. Denn der kleine Findriel war bereits als Kleinstelf ein äußerst neugieriges und risikofreudiges Kind.

Der 'Zirkel des Hofes der Seelie'



Weit im Süden Kara Turs ... genauer gesagt im Wintowald, einem großen Waldgebiet innerhalb Bashan Do's lag die Lichtung, an der sie wohnten. Sie lag in direkter Nähe des Fenghsintsu, eines der größeren Flüsse Kara Turs. Dort oben in den Bäumen gab es die drei Hütten, die die Mitglieder des Zirkels beheimateten. Beinahe wirkten sie so, als ob sie direkt aus den riesigen, alten Bäumen gewachsen waren.
Es war schon immer ein kleiner Zirkel gewesen. Am Anfang gerade mal bestehend aus vier Mitgliedern. Großvater, dem Leiter des Zirkels, einem damals bereits alten Elfen, dem Browniedruiden Aspgag, der halbelfischen Druidin Yllaine und einem als Menschen geborenen Wertiger namens Rrawtzu. Ihr hauptsächliches Ziel, neben dem Wahren des Gleichgewichts und dem Schutz der Natur, war der Schutz des Hofes der Seelie und all ihrer Kinder. So war es auch kein Wunder, dass der Besuch der verschiedensten Feenwesen dort beinahe zum Alltag gehörte. Ein paar von ihnen ließen sich sogar in direkter Nähe nieder. So hatte sich die Najade Irmyiel des Wasserfalls in der Nähe des Zirkels angenommen. Wie sich später für Fin herausstellen sollte ein glücklicher Zufall.

Die Reise ins Uns beginnt

Neben den Dingen, die er von den anderen lernte wie das Kennenlernen der verschiedensten Pflanzen und anderen Wesen war das Durchstreifen des Waldes für den kleinen Findriel das Schönste. Der ganze Bereich war im Grunde genommen friedlich, wenn man einmal von kleineren Scherzen einiger Brownies absah. So liess ihm Großvater auch eine Menge Freiraum, um sich selber und die Gegend zu entdecken. Am liebsten spielte er in der Nähe des Wasserfalls. Dieser stürzte über eine Klippe von gut 80 Schritt Höhe in etlichen Kaskaden nach unten und floss etwa 2 Meilen später in den Fenghsintsu. Obwohl das Wasser dort in die Tiefe stürzte war es kaum zu hören. Unten war stets ein leichter Nebel aus kleinen Wassertropfen, die im Licht, dass durch die Bäume schien, glitzerten wie Sterne. Für Fin mit Bestimmtheit der friedlichste Ort in ganz Faerun. So machte es ihm einen Heidenspaß dort nahe dem Ufer im seichten Wasser zu plantschen oder auf die Bäume zu klettern, die in der Nähe des Ufers mit ihren gewaltigen Ästen weit über das Wasser ragten.

Der Unfall oder wie aus Freunden Freunde werden

So war es auch kein Wunder, dass dann eben doch mal etwas passieren musste. An diesem Tag hatte sich der kleine Fin ... gerade Mal 12 Jahre alt ... entschlossen den höchsten Baum am Ufer zu erklimmen. Das ging anfangs auch wirklich gut, doch als er etwa die Hälfte geschafft hatte, rutschte er auf einem Ast aus, der durch das Wasser des Nebels rutschig geworden war und krachte durch die Äste nach unten. Auf dem Weg runter schlug er mit dem Kopf gegen einen der Äste und den Rest des Falls erlebte der bewußtlose Fin dann nicht mehr. Als Irmyiel sah, wie der kleine Elf durch die Äste ins Wasser stürzte, sprang sie sofort in den Fluss. Mit einigen Schwierigkeiten wuchtete sie den Kleinen ans Ufer. Fin hatte Glück gehabt. Neben der dicken Beule, die er am Kopf kriegen würde war das Schlimmste was ihm geschehen war etliche Schrammen und Kratzer durch die äste, aber nichts wirklich Ernstes. Trotzdem wußte die zwar hilfsbereite, aber in Heilkunde unbewanderte Najade nicht weiter und entschloss so Hilfe bei den anderen zu suchen.

Der Hof der Seelie

Als Fin die Augen aufschlug sah er alles verschwommen. Sein Schädel brummte und auch die Schrammen und Kratzer schmerzten. Zuerst sah er Irmyiel, die sich besorgt über ihn beugte. Sie war etwa einen Schritt groß, schlank, hatte langes weißes, leicht bläulich schimmerndes Haar und ihr ganzer Körper sah aus, als würde er aus Wasser bestehen. Bisher war es ihm höchstens mal gelungen sie einen flüchtigen Moment aus den Augenwinkeln heraus am Wasserfall zu sehen. Jetzt war er vom ersten Moment fasziniert und vergass darüber sogar seine Schmerzen. An ihr vorbei konnte er rege Betriebsamkeit erkennen. Allerlei Feenwesen waren fleißig zugange, nur in der Nähe des größten Baumes, den er je gesehen hatte, schien alles etwas ruhiger und weniger hektisch von Statten zu gehen.
Dann sah er eine zweite Gestalt neben sich. Sie kniete auf der anderen Seite neben ihm. Sie sah aus wie eine junge Elfe ... mit dem Unterschied, dass sie große Flügel hatte. Sie sahen aus wie die Flügel einer Libelle und das Sonnenlicht liess sie in den verschiedensten Farben schimmern. Sie hatte die Augen geschlossen und murmelte leise Worte in einer Sprache, die Fin völlig fremd war. Ihre Hände waren von einem bläulich-silbernen Schimmer umgeben und langsam verheilten Findriels Kratzer.
Daraufhin schloss er seine Augen wieder, denn die Lider wurden ihm schwer. Als er sie später wieder öffnete waren über ihm die Sterne zu sehen. Neben ihm lag Irmyiel, sonst war wenig zu sehen. Nur in Richtung Baum schwirrten Glühwürmchen in großer Menge in der Dunkelheit und machten so einen Blick auf den riesigen Baum möglich. Als Irmyiel sah, dass er wach geworden war lächelte sie und erhob sich langsam, ging langsam Richtung Baum und deutete ihm an ihr zu folgen. Langsam erhob auch er sich, fühlte kurz an seinem Hinterkopf. Dort war die Beule deutlich zu fühlen und der einzige Schmerz den er merkte war ein leichter als er die Beule mit der Hand berührte. Dann folgte er ihr langsam, schaute sich neugierig um auf dem Weg dorthin, doch konnte er in der Umgebung beinahe nichts erkennen, so dunkel war es dort. Am Baum angekommen sah er dort auch etliche Feen, die mit irgendwelchen Tätigkeiten am Baum beschäftigt waren.

Der Baum der Seelie

Die beiden betraten den Baum durch einen riesigen Spalt in seiner Rinde und erstaunt stellte Fin fest, dass sich vor ihm ein Gang auftat, dem sie weiter folgten und der schließlich in einem großen Raum endete. Den ganzen Weg nach Betreten des Baumes fühlte er sich irgendwie beobachtet. Als er den Baum betrat sah er dort drei Gestalten auf dreien der insgesamt 11 großen Stühle sitzen. Diese waren in einem Halbkreis in Richtung Eingang angeordnet. Die Augen der Anwesenden ruhten auf Fin, als dieser eintrat. Naja, zumindest war er sich bei zweien sicher. Der dritte war ein Baumhirte, bei ihm war das schwerer festzustellen. Nahe der Mitte saß eine wunderschöne Fee, mit Abstand das schönste Wesen, dass Fin je gesehen hatte. Der dritte war ein Leprechaun, der beinahe so breit grinste, dass man Angst haben musste, sein Kopf könne nach hinten klappen. Dann hörte der kleine Fin eine weibliche Stimme in seinem Kopf.
Ich grüße dich Findriel vom Zirkel des Hofes der Seelie. Du bist weit vor deiner Zeit hier. Aber Irmyiel war besorgt und brachte dich hierher. Wir haben ihr ihren Fehler klargemacht, aber nichtsdestotrotz bist du nun hier. Leider darfst du dich nicht erinnern hier gewesen zu sein noch nicht. Eines Tages wirst du uns wiedersehen.
Dann wurde ihm schwarz vor Augen. Als er erwachte lag er nass am Ufer des Flusses nahe dem Wasserfall und seine Erinnerungen an den Hof der Seelie waren verflogen. Kurz ächzend stand er auf und ging leicht benommen und nochmals nach der Beule tastend zurück zum Zirkel.

Die Ausbildung geht weiter

Die nächsten Jahre vergingen beinahe wie im Flug. Rrawtzu lehrte ihn die Kunst des Spurenlesens und auch der Jagd. Dabei lernte er, dass man nur jagt, wenn man etwas zu essen braucht, nicht weil man die Herausforderung liebt oder es einem Spass macht. Auch wenn der Wertiger teilweise alleine im Wald verschwand und Fin sich nicht sicher war, ob er es auch so handhabte. Von Großvater hörte er allerlei Geschichten, lernte die Geschichte des Zirkels kennen und auch deren Bedeutung einen ganz besonderen Ort zu schützen. Näher ging er nie auf diesen Ort ein.
Den Großteil seiner Zeit verbrachte er allerdings bei Irmyiel am Wasserfall. Er wusste nicht genau wieso, aber irgendwie vertraute er der Najade. Sie spielten im Wasser oder heckten kleine Streiche aus die sie Aspgag, dem Browniedruiden des Zirkels, spielten. Zwischen den beiden gab es sowieso öfters mal einen kleineren Streit, hauptsächlich wegen der Streiche, aber auch weil der Tiergefährte Aspgags, ein großer Ritterfalter, sich stets bei der Najade herumtrieb. Und weil Fin viel Zeit dort verbrachte, anstatt seine Lektionen zu verinnerlichen und den Kampf mit dem Speer von ihm zu lernen. Denn trotz seiner eher geringen Körpergröße war Aspgag ein behänder Kämpfer mit dem Speer und unglaublich flink und gewandt. Doch Fin mochte spielen, klettern und im Wasser baden am Wasserfall einfach mehr.
So flogen die Jahre dahin.

Eine Zeit zu sterben, eine Zeit zu leben

Und so sollte es auch nicht ungeschehen bleiben, dass auch der Zirkel bedroht wurde. Eines Tages wurden sie von einigen Sahuagin angegriffen. Das sich diese soweit ins Landesinnere trauten war ungewöhnlich und vielleicht war es auch dieser Umstand, der die Bedrohung umso gefährlicher machte. Keiner aus dem Zirkel war je auf solche Wesen gestoßen. Die Halbelfe Yllaine stieß als erste auf die fremdartigen Wesen. Als der Rest des Zirkels sie fand, lag sie schwer verwundet und bewusstlos am Ufer des Fenghsintsu. Sie brachten sie zurück zum Lager und während Aspgag und Rrawtzu wieder loszogen, um herauszufinden, was überhaupt geschehen war blieben Fin und Großvater bei ihr. Etliche Heilzauber später hatten die beiden sie zumindest soweit stabilisiert, dass sie leben würde. Auch wenn sie einfach nicht aufwachen wollte. Nach einiger Zeit hatte sich gezeigt, dass sie neben mehreren Wunden, die ihr zugefügt worden waren, auch vergiftet worden war. Und es war Großvater zwar möglich gewesen, das Gift zu stoppen, aber da war ein Teil des Schadens bereits angerichtet worden.
Etliche Stunden verstrichen und als Fin beinahe schon damit rechnete, dass den beiden auch etwas zugestossen war kamen Rrawtzu und Aspgag mit einem gefangenen Sahuagin wieder. Fin konnte einen kurzen Blick auf dieses Wesen werfen, bevor es in Großvaters Unterkunft gebracht wurde. Aspgag blieb bei Fin und der Halbelfe während die anderen beiden mit dem Sahuagin im Zimmer Großvaters verschwanden.

--- Wird fortgesetzt ---